Assiette des Vendanges heißt der Teller, den seine Großmutter gerade gebracht habe, sagt Florent. Wir stehen im kühlen Produktionsraum in der ersten Etage in der Rue du Grenache Nr. 5 in Collioure. Angenehm kühl, sodass ich beschließe, das Interview auszudehnen, um möglichst lange der heißen Julisonne mit 35 Grad im Schatten zu entkommen. Die Damen der Manufaktur zerlegen stoisch Anchovis um Anchovis und schlichten sie auf ein Blatt Papier, in einer Akuratess, die Ihresgleichen sucht.
Wir sind wieder für einige Zeit im Süden Frankreichs unterwegs und der erste Weg führt uns zur Familie Roque nach Collioure. Seit 1870 verarbeitet die Familie Anchovis, die vor der Küste gefischt werden und nunmehr leider auch aus anderen Ländern wie Argentinien importiert werden müssen, weil die Bestände nahezu bei Null liegen.
Florent empfängt uns und in breitem Dialekt ergießt sich eine Kanonade an Informationen über uns. Ich erbitte umgehend langsames Sprechen und glücklicherweise hilft unsere Begleitung Dominique aus, wo es nur geht.
Die Familie Roque ist ein Urgestein, wenn es um Anchovis geht. Die gesamte Familie ist in den Produktions-und Vertriebsprozess involviert und ich fantasiere, ob sie schon morgens zum Pétit Déj anstatt Croissants lieber eine Anchoïade auf eine Tartine schmieren.
Als Alphonse Roque 1870 nach Collioure kam, gab es eine Vielzahl katalanischer Fischer. Schnell spezialisierte er sich auf die Anchovis und begann sowohl mit dem Einsalzen der kleinen Fische als auch, sie dann in Öl einzulegen. Die Gegend zwischen Collioure, Port-Vendres und Banyuls, ganz im Süden Frankreichs, wo Spanien schon ganz nah ist, war für die Vielfalt an Fischen bekannt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Fische werden immer kleiner, die Bestände sind stark geschrumpft und minderwertige Qualitäten aus Marokko zu geringen Preisen machen zu schaffen. Die Importpreise sind um bis zu 66% gestiegen – kein gutes Jahr, wie Florent uns mit einem zerknirschten Gesicht verrät. Und heutzutage lebt nur noch ein Bruchteil vom Fischfang.
Lieber will er über etwas Positives mit uns sprechen. “Schau”, sagt er, “die Arbeit hier im Atelier wird ausschließlich von Frauen gemacht.” Er grinst und fügt hinzu:”die haben die feineren Hände, sind extrem vorsichtig, das brauchen die filigranen Anchovis.”
Zwei Damen sitzen an ihren Arbeitstischen und scheinbar nichts kann sie aus der Ruhe bringen. Sie entgräten die Fische fein säuberlich, um sie dann auf die Pergamentpapiere zu drapieren. Das Einsalzen und die anschließende Reifezeit zuvor dauerten mindestens 100 Tage. Man nenne das die Anchoitage. Das sei ein Qualitätsmerkmal und nur so würden die Anchovis besonders zart werden. Keine Arbeit für mich, sage ich mir leise. Florent scheint meine Gedanken lesen zu können.
Ich lehne ab, als neue Mitarbeiterin einzusteigen und frage lieber nach dem Teller der auf dem Tisch steht. “Ja”, sagt Florent, “das ist die Assiette des vendanges, eine kulinarische Tradition der Gegend.” Während der Weinlese mussten viele Erntehelfer verköstigt werden. Die Arbeit in den steilen Hanglagen rund um Collioure, in denen seit jeher nur von Hand gelesen werden kann, erforderte ein gutes, einfaches und nicht zu kostspieliges Essen. Dazu gehört noch immer ein Teller mit Roquerones, die essigsauer eigelegten, sehr mürben kleinen Anchovis, gebackene rote Paprika und hartgekochte Eier.
Rot und gelb – sang et or – Blut und Gold – die katalanischen Farben, die auch in Catalunya du Nord omnipräsent sind, finden sich auf dem Teller wieder und sind ein Ausdruck kultureller Identität.
Eine Vielzahl an Produkten rund um die Anchovis finden sich im kleinen Lädchen der Familie. Neben gefüllten Oliven mit Anchovis gibt es die typische Anchoïade, eine Paste aus Anchovis, die Umami pur ist und super zu den crudités passt, den rohen Gemüsesticks, die auf keinem Buffet fehlen dürfen. Die Familie produziert Wein, der gar nicht übel ist und sich herrlich zur einfachen, schmackhaften katalanischen Küche ausmacht. Ein Gesamtpaket, das stimmig ist und in die heutige Zeit passt, wie wir finden.
Ich labe mich an der Assiette des Vendanges von Florents Großmutter und überlege bereits meine eigene Interpretation dieses wunderbaren Tellers. Klar wird schnell – auch die Tomaten von Patrice, meinem Gemüsebauern des Vertrauens, müssen dabei sein. Es sind die großen, länglichen, wie zufällig in den katalanischen Farben rot und gelb gemustert, deren korrekten Namen Patrice nicht weiß, was nichts zur Sache tut, weil er sie einfach sang et or nennt – so einfach geht das 😉
Ergänzt werden sie nur noch von den unglaublich süßen, köstlichen Zwiebeln, die nur von alten Männern gepflegt werden. Aber das ist schon eine andere Geschichte.
Bon Appétit!
Assiette des vendanges
2016-09-14 13:10:06
Serves 2
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Prep Time
1 hr
Cook Time
45 min
Prep Time
1 hr
Cook Time
45 min
Ingredients
20 Roquerones-Filets
1 rote Paprika
1 gelbe Paprika
1 gelbe Tomate
1Knoblauchzehe, geschält, fein gehackt
1 rote Tomate
172 Zweifel, in feine Ringe geschnitten
2 Eier, hartgekocht, geviertelt
Salz
Pfeffer
Olivenöl
einige Blätter Basilikum
Instructions
Die Paprika halbieren, das Kerngehäuse entfernen und im Ofen bei 230 Grad Celsius für ca. 35 min backen bis sich die Haut abhebt und sehr dunkel ist.
Aus dem Ofen nehmen und enthäuten. Die rote Paprika in Streifen schneiden und beiseite stellen. Die gelbe Paprika mit dem gehackten Knoblauch, Salz und Pfeffer fein pürieren und beiseite stellen.
Die Tomaten waschen und würfeln.
Auf einem großen Teller oder einer Servierplatte die Roquerones-Filets abwechselnd mit der roten Paprika anrichten. Das Püree der gelben Paprika darauf verteilen. Tomaten, Zwiebeln und Eier dazu geben, mit etwas Olivenöl beträufeln und pfeffern.
Assiette des Vendanges heißt der Teller, den seine Großmutter gerade gebracht habe, sagt Florent. Wir stehen im kühlen Produktionsraum in der ersten Etage in der Rue du Grenache Nr. 5 in Collioure. Angenehm kühl, sodass ich beschließe, das Interview auszudehnen, um möglichst lange der heißen Julisonne mit 35 Grad im Schatten zu entkommen. Die Damen der Manufaktur zerlegen stoisch Anchovis um Anchovis und schlichten sie auf ein Blatt Papier, in einer Akuratess, die Ihresgleichen sucht.
Wir sind wieder für einige Zeit im Süden Frankreichs unterwegs und der erste Weg führt uns zur Familie Roque nach Collioure. Seit 1870 verarbeitet die Familie Anchovis, die vor der Küste gefischt werden und nunmehr leider auch aus anderen Ländern wie Argentinien importiert werden müssen, weil die Bestände nahezu bei Null liegen.
Florent empfängt uns und in breitem Dialekt ergießt sich eine Kanonade an Informationen über uns. Ich erbitte umgehend langsames Sprechen und glücklicherweise hilft unsere Begleitung Dominique aus, wo es nur geht.
© Honestlyphotos
Die Familie Roque ist ein Urgestein, wenn es um Anchovis geht. Die gesamte Familie ist in den Produktions-und Vertriebsprozess involviert und ich fantasiere, ob sie schon morgens zum Pétit Déj anstatt Croissants lieber eine Anchoïade auf eine Tartine schmieren.
Als Alphonse Roque 1870 nach Collioure kam, gab es eine Vielzahl katalanischer Fischer. Schnell spezialisierte er sich auf die Anchovis und begann sowohl mit dem Einsalzen der kleinen Fische als auch, sie dann in Öl einzulegen. Die Gegend zwischen Collioure, Port-Vendres und Banyuls, ganz im Süden Frankreichs, wo Spanien schon ganz nah ist, war für die Vielfalt an Fischen bekannt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Fische werden immer kleiner, die Bestände sind stark geschrumpft und minderwertige Qualitäten aus Marokko zu geringen Preisen machen zu schaffen. Die Importpreise sind um bis zu 66% gestiegen – kein gutes Jahr, wie Florent uns mit einem zerknirschten Gesicht verrät. Und heutzutage lebt nur noch ein Bruchteil vom Fischfang.
© Honestlyphotos
Lieber will er über etwas Positives mit uns sprechen. “Schau”, sagt er, “die Arbeit hier im Atelier wird ausschließlich von Frauen gemacht.” Er grinst und fügt hinzu:”die haben die feineren Hände, sind extrem vorsichtig, das brauchen die filigranen Anchovis.”
Zwei Damen sitzen an ihren Arbeitstischen und scheinbar nichts kann sie aus der Ruhe bringen. Sie entgräten die Fische fein säuberlich, um sie dann auf die Pergamentpapiere zu drapieren. Das Einsalzen und die anschließende Reifezeit zuvor dauerten mindestens 100 Tage. Man nenne das die Anchoitage. Das sei ein Qualitätsmerkmal und nur so würden die Anchovis besonders zart werden. Keine Arbeit für mich, sage ich mir leise. Florent scheint meine Gedanken lesen zu können.
Ich lehne ab, als neue Mitarbeiterin einzusteigen und frage lieber nach dem Teller der auf dem Tisch steht. “Ja”, sagt Florent, “das ist die Assiette des vendanges, eine kulinarische Tradition der Gegend.” Während der Weinlese mussten viele Erntehelfer verköstigt werden. Die Arbeit in den steilen Hanglagen rund um Collioure, in denen seit jeher nur von Hand gelesen werden kann, erforderte ein gutes, einfaches und nicht zu kostspieliges Essen. Dazu gehört noch immer ein Teller mit Roquerones, die essigsauer eigelegten, sehr mürben kleinen Anchovis, gebackene rote Paprika und hartgekochte Eier.
Rot und gelb – sang et or – Blut und Gold – die katalanischen Farben, die auch in Catalunya du Nord omnipräsent sind, finden sich auf dem Teller wieder und sind ein Ausdruck kultureller Identität.
© Honestlyphotos
Eine Vielzahl an Produkten rund um die Anchovis finden sich im kleinen Lädchen der Familie. Neben gefüllten Oliven mit Anchovis gibt es die typische Anchoïade, eine Paste aus Anchovis, die Umami pur ist und super zu den crudités passt, den rohen Gemüsesticks, die auf keinem Buffet fehlen dürfen. Die Familie produziert Wein, der gar nicht übel ist und sich herrlich zur einfachen, schmackhaften katalanischen Küche ausmacht. Ein Gesamtpaket, das stimmig ist und in die heutige Zeit passt, wie wir finden.
Ich labe mich an der Assiette des Vendanges von Florents Großmutter und überlege bereits meine eigene Interpretation dieses wunderbaren Tellers. Klar wird schnell – auch die Tomaten von Patrice, meinem Gemüsebauern des Vertrauens, müssen dabei sein. Es sind die großen, länglichen, wie zufällig in den katalanischen Farben rot und gelb gemustert, deren korrekten Namen Patrice nicht weiß, was nichts zur Sache tut, weil er sie einfach sang et or nennt – so einfach geht das 😉
Ergänzt werden sie nur noch von den unglaublich süßen, köstlichen Zwiebeln, die nur von alten Männern gepflegt werden. Aber das ist schon eine andere Geschichte.
Bon Appétit!
Comments (3)
Das sieht sehr lecker aus. Jetzt habe ich grosses Hunger! 😉
Grüsse,
Rosa
Danke, liebe Rosa! Ich hoffe, es geht dir gut! Viele Grüße von Sandy
[…] – Assiette des vendanges […]